"Wozu eigentlich diese Frankfurter Buchmesse?", hat mich jemand gefragt. Die Antwort ist für Insider so offenkundig, dass sie schon wieder schwierig ist. Aber ich versuche es mal - frisch inspiriert durch die letzten Tage der FBM24.
Ohne die Frankfurter Buchmesse wäre die Buchbranche ärmer, weniger inspiriert und gleichzeitig weniger inspirierend. Die FBM ist das Branchentreffen des Jahres, der international wichtigste Termin. Hier kommen alle Buchmenschen zusammen, die es einrichten können. Man vereinbart lange im Voraus Termine und sichtet Manuskripte. Es werden Panels, Lesungen und Netzwerktreffen geplant. Die Frankfurter Buchmesse ist eine große Buchparty mit Diskussionen, Preisverleihungen, Veranstaltungen, Lesungen - ein Ort der Reflexion und des zukunftsweisenden Austauschs.
Man kann schwer in Worte fassen, was diese Buchmesse ausmacht. Wir sind uns zwar alle einig, dass es die Begegnungen sind - aber die sind ja so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Man spricht über Bücher, über die Zusammenarbeit, über anstehende Projekte, über Privates. Beim Streifen verschiedener Themen kommen einem neue Ideen, man schafft Querverbindungen, entdeckt gemeinsame Bekannte, eine Meinungsverschiedenheit über ein Buch und so weiter. Da passieren im direkten Austausch vielfältige Impulse, die man allgemein gar nicht beschreiben kann.
Und meine persönliche Perspektive? Gerade hänge ich nach der Frankfurter Buchmesse 2024 ein wenig im Post-Messetief - leider mit der (üblichen) Messeerkältung ... Aber so schön war es! Auch dieses Jahr so inspirierend und bereichernd. Es gab viele Höhepunkte für mich:
Ich habe Leute das erste Mal live gesehen und frei mit ihnen gesprochen, also nicht nur online innerhalb eines festen Themenrahmens.
Ich habe interessante Gespräche über Verlagsprogramme geführt, über vergangene und anstehende Lektorate und Projekte.
Ich war bei Netzwerktreffen, einer Preisverleihung und einer Party.
Ich durfte interessante Vorträge und Lesungen hören.
Ich habe Visitenkarten getauscht und Bücher bekommen.
Und diesmal hatte ich auch mein eigenes Buch im Gepäck und wurde oft dazu beglückwünscht.
Und diesen irritierenden Moment gab es: Als jemand, der nicht aus der Branche stammt, mitten während dieser erfüllenden Messezeit zu mir gesagt hat:
"Wozu gibt es eigentlich diese Buchmesse? Ich möchte deren Sinn grundsätzlich in Frage stellen."
Puh. Da musste ich erst mal schlucken. Wo soll man da anfangen? Bei den Begegnungen? Beim fachlichen Austausch? Mehr schlecht als recht hab ich ein paar Antworten gegeben, wie kurze Streiflichter, aber völlig unzureichend auf die Schnelle.
Klar kann man viel online erledigen. Bücher kann man auch als E-Books ansehen (vor allem, wenn es nicht um die Ausstattung geht - um die es auf der FBM ganz schön oft geht!). Und der digitale Part des Buchgeschäfts ist nicht zu unterschätzen. Aber mir geht es so:
Erst, wenn ich ein Buch in der Hand habe, begreife ich (im wahrsten Sinn des Wortes), was dafür alles geleistet wurde und wie viel Herzblut darin steckt.
Erst, wenn ich Leute das erste Mal offline treffe, kann ich ein Gespür für sie und eine echte Verbindung zu ihnen entwickeln.
Da ist endlich Raum für Gedankenspiele und Quatsch, für Pausen und Spontanität, für zufällige Treffen und kurze Glückwünsche zwischen Tür und Angel. Und - das finde ich besonders schön - es wird so wenig in Bildschirme gestarrt wie sonst nie.
Die größte Buchmesse der Welt hat dieser Mann, der an ihr zweifelt, 2024 das erste Mal für wenige Stunden besucht - als Branchenfremder an einem Fachbesuchertag. Damit hat er es unglücklich getroffen und konnte natürlich nicht spüren, was an der Messe so beglückend ist. In den ersten Stunden läuft es für niemanden rund: Das Messegelände ist riesig, Wege dauern ewig, die App funktioniert nicht richtig - warum ist die Toilettenschlange so lang und wo ist eigentlich diese Halle 2.1?
Die Buchmesse ist eben keine kleine, simple Angelegenheit, die sich sofort erschließt. Wie vielen Dingen muss man ihr - und sich - etwas Zeit geben. Um anzukommen, um Lieblingsthemen und -ecken auszumachen und Lieblingstermine einzuplanen.
Und trotzdem hört man auch nach Jahren immerzu von spannenden Dingen, die man verpasst hat. "FOMO is real" auf der FMB. Auch wenn man ein straffes Programm hat, man kann einfach wirklich nicht überall sein. Da ist die große Kunst dann (wie so oft): Geduldig sein, zufrieden sein, weiter die Augen und Ohren offenhalten, um die Schönheit dieser Branche zu erleben. Bis zur FBM25.
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