Welche Vorteile das Schnelllesen hat und warum es in jeder Lesesituation (von der Informationssuche bis zum literarischen Genuss) nützlich ist. Ein kurzer Webinar-Bericht samt weiterführender Gedanken.
[Wo wir schon beim Thema sind: Mein Website-Baukasten behauptet, die Lesezeit für diesen Blogbeitrag läge bei drei Minuten. Woran das wohl festgemacht wird? Sie können ja mal messen, ob es zutrifft.]
Durch eine Initiative der Jungen Verlags- und Medienmenschen hatte ich kürzlich die Gelegenheit, an einem Webinar zum Thema Speed Reading teilzunehmen. Erika Magyarosi hat uns auf ihre unverwechselbare Art (große Empfehlung an dieser Stelle!) die Kunst des schnellen Lesens nähergebracht.
Zwei Fragen standen im Fokus:
1. Wie trainiere ich meine Augen? Mithilfe einiger unkomplizierter Techniken (man nehme ein Metronom und einen Stift) konnten alle Teilnehmer:innen ihre Lesegeschwindigkeit messbar erhöhen. Was für ein Erfolgserlebnis!
2. Was will ich vom Text? Ihn ganz in mich aufnehmen? Oder mir einen groben Überblick verschaffen? Das Wichtigste memorieren? Für sämtliche Varianten gab es Tipps und Tricks, denn Speed Reading funktioniert auf unterschiedlichen Ebenen, je nachdem, wie tief man in den Text eintauchen will.
Und noch etwas wurde im Lauf des Tages klar: Lesen ist nicht einfach Lesen.
Aber wie definieren wir es, und welche Funktionen kann es haben?
Ich befrage (klassisch) Wikipedia: Lesen im engeren Sinn bedeutet, schriftlich niedergelegte, sprachlich formulierte Gedanken aufzunehmen. Das Lesen eines Textes ist ein durch Übung und Kenntnisse des Lesers bestimmter heuristischer, kognitiver Vorgang.
Hier ist formuliert, was wir schon in der Schule lernen: Lesen bedeutet Verstehen. Und zwar in möglichst kurzer Zeit.
Nach wenigen Stunden hatte ich meine Lesegeschwindigkeit verdoppelt.
Während der Ausbildung verfestigt sich dieser Eindruck. Kognitives Lesen ist an der Uni gefordert, soll man sich doch reichlich Wissen in ein paar Semestern draufschaffen. Die gesamte Literaturliste durchzuackern, ist fast nicht möglich – nur mit einer guten Strategie, wie man das Wichtigste herausfiltert und verinnerlicht.
Beim Studium einer Sprachwissenschaft kommt das analytische Lesen dazu: Man untersucht kleinteilig alle Eigenschaften einer Wortschöpfung, spürt Fehler und Potenziale eines Textes auf, man bewertet diesen. Auch hier gilt es meist, schnell zu sein.
Das Lesen als kognitiver Vorgang begleitet die meisten Erwachsenen dauernd. Wir lesen, um zu lernen, und wer viele Words per Minute (WPM) schafft, ist im Vorteil. Hohe Geschwindigkeit ermöglicht einen Wissensvorsprung.
Aber was ist mit dem Lesen unserer Kindheit? Wir waren nicht so streng mit uns, als wir den Begriff Pflichtlektüre noch nicht kannten, als wir unsere Nasen in "Kalle Blomquist" oder "Krabat" steckten ... War ein Buch spannend, haben wir es verschlungen. Das bedeutete keineswegs, jedes einzelne Wort aufzunehmen! Oft genug sind wir an vermeintlich langweiligen Beschreibungen vorbeigerauscht, haben wir getrost einige Ausführungen übersprungen, um beim nächsten "Plötzlich" wieder einzusteigen. Stimmt's?
Oder es passierte das Gegenteil: Wir haben über ein paar schönen Passagen die Zeit vergessen und diese immer wieder gelesen. Lesegenuss kennt eben keine Tempovorgabe.
Egal, welche Art der Lesemotivation uns antreibt, eines gilt immer, sagt Erika Magyarosi: Unser Gehirn fühlt sich dann gut unterhalten, wenn es etwas lernt. Solange das weder zu einfach ist, noch zu schwierig.
Und hier kommt das Speed Reading ins Spiel: Es ermöglicht uns, ein höheres Grundtempo anzuschlagen, wenn der Blick über Buchstaben, Wörter und Zeilen fliegt. Und langsamer werden geht immer. Aktiv und kontrolliert können wir also die Lesegeschwindigkeit unseren Erwartungen an den Text und dessen Komplexität anpassen.
Übrigens: Digitales Lesen verbindet beides, selektives und unterhaltendes Lesen. Denn im Internet verbreitet sich so viel Text wie noch nie, und um hier relevante Inhalte zu identifizieren, sind Skills wie Querlesen, Überfliegen und Speed Reading wertvoll. Wenn wir gefiltert haben, können wir uns ganz dem Lesegenuss nach unserem Geschmack hingeben – im Tempo unserer Wahl.
Comments