Eine fast seriöse Besprechung meines Frühwerks „Die kleine Prinzessin“.
Ich habe eine meiner ersten Textschöpfungen bis heute gut gehütet: eine illustrierte Märchen-Trilogie mit Schiebe- und Drehelementen. Sie lag mir immer am Herzen, aber nach etwa dreißig Jahren Erfahrungszugewinn ist es an der Zeit, auch mal einen kritischen Blick darauf zu werfen.
Drei Schulhefte umfasst das Werk mit dem klischeehaft anmutenden Titel „Die kleine Prinzessin“. Die offensichtliche Begeisterung für den Lebenswandel eines adeligen Mädchens ist aus heutiger Perspektive nur dadurch zu erklären, dass Märchen von Anfang an zur täglichen Lektüre der siebenjährigen Schriftstellerin gehörten. Nicht allen Konventionen ist sie verfallen, wie sich auf Seite sieben in Band eins erweist, wo die Prinzessin einem soeben herangerittenen und optisch ansprechenden Prinzen einen Heiratsantrag macht. Der Herr Papa gibt ein großes königliches Fest, und danach folgen Szenen des Ehelebens. Was man eben in einer funktionierenden Partnerschaft so tut: sich verlieben, gut essen, spazieren gehen, Verstecken spielen. Und: „Nach ein par Tagen“ wird ein Sohn geboren: „Manoel“!
Dramaturgisch ungeschickt: Die Autorin steigt unmittelbar mit einem Happy End ein, auf das ausschließlich weitere Glücksmomente im Leben der Figuren folgen. Konflikte sucht man vergeblich. Einzig dass die kleine Prinzessin ohne Mutter aufwächst, lässt eine Problematik erahnen; dieser Ansatz hätte sich geeignet, um ein packendes Psychogramm der Protagonistin zu entfalten. Aber das übersteigt wohl die Fähigkeiten der kleinen Schriftstellerin.
Auch der Fortsetzung mangelt es an Ideen: Band zwei plätschert völlig ohne erzählerisch ausgearbeiteten Höhepunkt vor sich hin … Man macht weitere Spaziergänge, das Kind bekommt einen Kasperl geschenkt, die Familie wird immer reicher. Mit viel gutem Willen lässt sich hier ein Funke Gesellschaftskritik ausmachen. Band drei existiert gar nur noch als Fragment. Schade, dass es der Autorin nicht gelingt, einen Spannungsbogen aufzubauen und zu halten!
Die gestalterische Umsetzung ist allerdings einen zweiten Blick wert, denn jede Doppelseite aller Hefte ist mit einem Spezialeffekt ausgestattet: Man kann Sonne oder Mond ans Firmament zaubern, den Nachwuchsregenten mit Kastanien jonglieren lassen und die Prinzessin hinter den Kleiderschrank schieben. (– Aber nicht so grob! Autsch, jetzt hat sie sich wehgetan!) Am spektakulärsten ist fraglos die Geburt Manoels in Band eins, die sich mit einem beherzten Ziehen nachstellen lässt. Diese Möglichkeit zur Interaktion macht die Lektüre äußerst kurzweilig.
Fazit: Der fast schon rührende Mangel an erzählerischer Kunstfertigkeit und die Kreativität, die sich in den Bastel-Elementen zeigt, ergeben ein einigermaßen charmantes und unterhaltsames Gesamtpaket.
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